Unser Familienbetrieb existiert in dritter Generation. Ich bin damit groß geworden, habe als
Kind gerne im Verkauf mitgeholfen. Ich habe ein Fachabitur und hätte auch etwas anderes
machen können. Aber ich habe das Handwerk gewählt, um die Nachfolge sicherzustellen
und alles von der Pike auf zu lernen. Als ich mit der Lehre angefangen habe, war es schon
komisch, denn ich war immer das einzige Mädchen. Ich musste mich durchbeißen.
Während der Meisterschule in Landshut bin ich 20 Jahre alt geworden. Ich war Deutschlands
jüngste Fleischermeisterin – auch bedingt dadurch, dass es so wenig Frauen in diesem
Handwerk gibt.
Inzwischen leite ich gemeinsam mit meinem Vater und meinem Mann unsere GmbH. Hier
arbeiten 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in mehreren Filialen – und die ganze Familie
Sebert. Wir sind ein nettes, familiäres Team. Die meisten Mitarbeiter sind schon seit vielen
Jahren da. Ich habe inzwischen meinen Arbeitsschwerpunkt im Büro, muss aber auch durchgängig
erreichbar sein und in unseren Läden einspringen, wenn mal jemand ausfällt.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist gut, weil wir alle unter einem Dach wohnen.
Freiräume, auch für meine beiden Töchter, muss ich mir aktiv schaffen. Das geht alles.
Ich finde es toll, etwas Gutes zu produzieren. Wir sind die einzige Fleischerei hier in Göttingen,
die noch selbst schlachtet. Unser Handwerk ist sehr vielfältig, es wird nie langweilig.
Das fängt bei der Tierauswahl an. Wir schlachten ausgewählte Tiere aus der Region, die
besonders tierfreundlich und lange aufwachsen. Aus einem Tier kann man so viele verschiedene
Sachen herstellen. In unserem Sortiment setzen wir auf Familienrezepte und reine
Gewürze, die wir selbst mischen. Und wir geben der Wurst noch die Zeit zum Reifen – so,
wie es früher in der Hausschlachtung gemacht wurde. Damit heben wir uns von der breiten
Masse ab. Unsere Produkte sind lokale Spezialitäten, ebenso wie Tiroler Schinken oder
Ahle Wurst.
Man braucht Kreativität für dieses Handwerk. Klar – nicht für’s Knochenauslösen. Aber im
Verkauf, bei der Präsentation der Ware. Das ist das, was mir am meisten Spaß macht: Dinge
zu verkaufen, die wir hergestellt haben. Wenn man die Rückmeldung von den Kunden bekommt:
„Das ist gut!“ – das ermutigt einen.
In der Handwerkskammer arbeite ich im Prüfungsausschuss und nehme Gesellenprüfungen
ab. Aber es fehlt der Nachwuchs. Es wird uns auch nicht einfach gemacht. So einen Betrieb
wie diesen kann ich als junger Mensch nicht einfach hinstellen, wenn ich Fleischer werden
möchte. Denn wir haben dieselben Auflagen und Standards wie große Industriebetriebe. Das
ist ein sehr hoher Investitionsbedarf. In unserem Betrieb sind alle Kapazitäten ausgeschöpft.
Man ist im Handwerk oft so abgestempelt, dabei verrichten wir alle unsere Arbeit – und
auch gut. Jetzt, in der Krisenzeit merkt man, wie sehr alle auf das Handwerk angewiesen
sind. Wenn nichts anderes mehr geht – wir sind da!